Argentinien steckt in einer schweren Wirtschaftskrise, weshalb viele junge Argentinierinnen und Argentinier auf den umstrittenen Präsidenten Javier Milei setzen, der seit Dezember im Amt ist. Trotz innenpolitischem Unmut wegen strenger Sparprogramme zeigt er erste Erfolge. Außenpolitisch orientiert er sich am Westen, was viel Potenzial für eine gute Zusammenarbeit mit Deutschland und Europa bietet.
Argentinien, die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas, steckt inmitten einer schweren Wirtschaftskrise. Die Inflationsrate stieg in den vergangen zwölf Monaten auf rund 290 Prozent, dem höchsten Wert seit den frühen Neunzigerjahren. Über 40 Prozent der Bevölkerung leben aufgrund hoher Kosten für Wohnen, Gas, Wasser und Strom unterhalb der Armutsgrenze. In dieser schwierigen Lage wählten die Bürgerinnen und Bürger, insbesondere viele junge Menschen, den Ökonom Javier Milei im vergangenen Dezember zum neuen Präsidenten in der Hoffnung auf finanzielle Stabilität.
Obwohl der Präsident in Argentinien als oberster Repräsentant und Regierungschef große Macht besitzt, benötigt er für seine Politik die Zustimmung der Kammern und ist auf Mehrheiten angewiesen. Insbesondere bei ambitionierten Wirtschaftsreformen erlitt Milei Niederlagen im Kongress und im Senat.
Trotzdem setzt der Präsident auf ein radikales Sparprogramm. In den vergangenen Monaten wurden zahlreiche Stellen im öffentlichen Dienst gestrichen, Subventionen gekürzt und Sozialprogramme eingestellt. Mit einem ersten Erfolg: Im März wurde zum ersten Mal seit mehr als 15 Jahren ein Haushaltsüberschuss für ein Quartal verzeichnet, der umgerechnet rund 294 Millionen Euro betrug. Im April stiegen die Preise im Vergleich zum Vormonat nur um 8,8 Prozent, wodurch die monatliche Inflationsrate seit Oktober 2023 erstmals einstellig blieb. Expertinnen und Experten führen diesen Erfolg auf geringeren Konsum und eine langsamere Geldschöpfung zurück.
Dennoch führte Mileis radikaler Sparkurs bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr zu massiven Protesten. Das öffentliche Leben kam teilweise zum Stillstand, der öffentliche Nahverkehr und Flugverkehr wurden lahmgelegt, und zahlreiche Banken, Supermärkte, Schulen und Universitäten blieben geschlossen. Laut Umfragen halten dennoch eine knappe Mehrheit der Argentinierinnen und Argentinier zum Präsidenten.
In der Außenpolitik ist Präsident Milei international noch unbekannt. Er wird unterschiedlich als rechtsliberal, rechtspopulistisch, rechtsextrem, rechtskonservativ oder ultraliberal eingestuft. Er sieht die Rolle Argentiniens an der Seite der USA und nimmt eine prowestliche Position innerhalb des globalen Südens ein. Auch die Bundesregierung möchte trotz des umstrittenen Präsidenten enge und vertrauensvolle Beziehungen mit Argentinien fortsetzen, insbesondere wegen der wichtigen Lithium-Vorkommen und erneuerbaren Energien wie Wasserstoff.
Ein Zeichen, dass Javier Milei die Westbindung ernst meint, ist die vorläufige Absage zum Beitritt zum BRICS+-Bündnis, womit er seinen Kurs der Distanzierung zu China fortsetzt, den er bereits im Wahlkampf angekündigt hatte. Dennoch bleibt die Abhängigkeit von China bestehen, da es der größte Investor in Argentiniens schnell wachsende Lithiumindustrie und laut IWF der größte Gläubiger des Landes ist.
Insgesamt bleibt Präsident Milei umstritten. Einerseits sehen viele in ihm einen Hoffnungsträger, andererseits müssen seine Deregulierungen und Einschränkungen, etwa beim Streik- und Demonstrationsrecht, kritisch betrachtet werden. Die EU und Deutschland sollten ihre Bemühungen demnach verstärken, die bilateralen Beziehungen mit Argentinien auszubauen, um die Westbindung des Landes zu fördern. Arbeitskräfte und Rohstoffe bieten in Argentinien, ebenso wie preiswerte Energie und großes Potential zur Erzeugung erneuerbarer Energien, große Chancen zu einer erfolgreichen wirtschaftlichen Zusammenarbeit.
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